Keine Lesekompetenz trotz acht Jahren Schule
Nein, sie werden nicht beruhigender, die Studien zur Lesekompetenz. Jetzt hatten wir doch gerade die PISA-Studie und ihre alarmierenden Ergebnisse verdrängt, da wird uns schon die nächste Erhebung präsentiert. Letzte Woche wurden die Ergebnisse der Bildungsstandardtestung veröffentlicht und auch die geben Anlass zum Handeln.
Mehr als die Hälfte können es. Das reicht doch, oder?
Im Frühjahr 2016 wurden 73.000 Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse Neue Mittelschule, Hauptschule und AHS Unterstufe auf ihre Kompetenz im Lesen, Schreiben und Sprachbewusstsein getestet. Was man dort herausgefunden hat bestätigt die PISA-Studie: 17% der Jugendlichen in Österreich haben nach acht Jahren Schule Probleme beim Lesen einfacher Texte.
Möchte man die Ergebnisse positiv interpretieren, könnte man die Charts auch folgendermaßen lesen: in allen Bereichen haben zwischen 50% und 79% der Jugendlichen die Kompetenzstufe erreicht. Mehr als 50% – als Wahlergebnis wäre das ein voller Erfolg. Aber 50% sind eben nicht überall zufriedenstellend. Grundsätzlich tritt die Schule ja an, um alle Kinder fit ins Leben zu schicken. Wenn – wie zum Beispiel bei der Lesekompetenz – fast die Hälfte den Standard nicht erreicht, kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. Hier liegt auch einer der interessantesten Punkte der Studie: beim Lesen hakt es am meisten.
Der Einfluss der Eltern
In dem 162 Seiten langen Bericht ist vor allem Kaptitel 9 “Überblick über die Kompetenzen im Fach Deutsch” interessant. In diesem Teil werden die Ergebnisse mit dem Geschlecht, Migrationshintergrund, Erstsprache und Bildungshintergrund der Eltern in Zusammenhang gebracht. Wenig überraschend ist, dass Kinder mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Haushalten am schnellsten ins Hintertreffen geraten. Die Gründe hierfür sind auch bereits hinreichend erforscht:
- in diesen Haushalten wird wenig gelesen
- den Kindern wird nicht vorgelesen – auch nicht in ihrer Muttersprache
- die Eltern bieten kein Vorbild, weil sie selbst nicht lesen
- Lesen wird nie als Teil der Freizeit wahrgenommen, sondern immer mit “Schule” und “Lernen” in Verbindung gebracht, also eher mit Pflicht, als Vergnügen konnotiert.
- die Erfahrung, dass Lesen mühelos sein kann, wird diesen Kindern vorenthalten
- der Widerstand gegen das Lesen wächst
Woher soll sie aber kommen, die Lust am Lesen, wenn selbst 17,1% der Erwachsenen funktionale Analphabeten sind, wie die PIAAC-Studie der OECD von 2013 zeigt?
Mit Chunken (in Blöcke Lesen) mühelos die Lesekompetenz stärken
Ein Buch hat es schwer, gegen die vielen, leicht zu konsumierenden Ablenkungen der Smartphones zu konkurrieren. Es wäre ein großer Schritt getan, wenn es den Kindern gelingt, vom mühevollen Entziffern schnell zum mühelosen Vergnügen zu finden.
In den skandinavischen Ländern lernen die Kinder durch die Verwendung von Filmuntertiteln wie von selbst das Chunken. Dadurch sind sie besser in der Lage, auch komplexere Texte zu verstehen und zu behalten.
Nun ist es im deutschsprachigen Raum kaum möglich, Filme mit Untertiteln zu sehen, weil üblicherweise alles synchronisiert wird. (Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache sind hier ausnahmsweise mal im Vorteil. Sie könnten sehr wohl Filme in ihrer Muttersprache mit deutschen Untertiteln nutzen, um diese Technik zu erlernen.) Deutschsprachigen Kindern könnte man Filme und Serien in einer Fremdsprache mit deutschen Untertiteln zumindest hin und wieder anbieten. Zumal es viele Kinder geradezu lieben, fremden Sprachen zuzuhören.
Zusätzlich wäre es mehr als einen Versuch wert, ab einem gewissen Alter das Chunken als Teil des Lesetrainings in der Schule zu üben.
Eltern motivieren
Wie man Eltern mehr fürs Vorlesen gewinnen kann, macht ein Wiener Kindergarten vor. Wenn die Kinder ihre Väter einmal vorlesend erleben, werden sie auch zu Hause öfter einfordern, dass ihnen jemand etwas vorliest. Es gibt ja wirklich wenige Dinge im Leben, die nur Vorteile haben. Das Vorlesen gehört definitiv dazu. Wenn Eltern das einmal verstanden haben, werden sie hoffentlich nicht mehr darauf verzichten wollen.
Über den Autor Göran Askeljung
Prof. (op) Göran Askeljung – BcEE, ist Business Trainer bei askeljung.com und Geschäftsführer und Senior Trainer bei immediate effects. Seit 2016 ist Göran Askeljung auch Certified Facilitator und Associate von Consensus in NY, und leitet Consensus Austria und Germany. Als Professor of Practise (op) am Georgian School of Management (GSOM) leitet er das Institut für Sales and Negotiations. Er ist Vorstandsmitglied in der Schwedischen Handelskammer in Österreich und Mitglied des Beirats von Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF). Göran ist auch als Trainer, Coach und Consultant für Consensus Group (NY, US), The Forum Corporation (UK), eBda (Fr) undNapier Training Associates (UK) tätig. Er ist zertifiziert im Solution Selling® von der SPI University in USA. Seine Arbeit umfasste Tätigkeiten als Trainer und Coach für Produktivität, Verkauf, Vertriebsmanagement, Key-Account Management, Lösungsvertrieb, Verhandlungstaktik, Verhandlungsführung, Rhetorik und Präsentationen. Göran wurde 1967 in Schweden geboren und lebt seit 1990 in Wien. Er spricht fließend Deutsch, Englisch und Schwedisch. Lebenslauf und Werdegang: Oxford Encyclopedia | LinkedIn | XING
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