Das Märchen von den Zwängen
“Ich arbeite besser unter Druck!” Sicher kennen Sie jemanden, der das von sich behauptet. Vielleicht sind Sie sogar selbst dieser Jemand. Die Überzeugung, mit der dieser Satz fast immer in den Ring geworfen wird, verträgt kein Nachfragen, keine Anzweifeln und schon gar kein Bedauern. Dabei: wäre es nicht wünschenswert, wenn wir alle immer aus uns selbst heraus unsere Aufgaben vorantreiben würden. Ohne Druck von außen, ohne drohende negative Konsequenzen. Wir wären selbstbestimmt und hätten keine höhere Instanz nötig.
Intrinsische Motivation ist das, was uns fehlt, wenn wir auf dieses unangenehme Gefühl warten, das uns endlich zum Tun bewegt. Wenn wir schon gar nicht mehr anders können, als dieses Sackgassen-Gefühl herbeizusehnen, damit wir die Dinge anpacken, die wir anzupacken uns vorgenommen haben, sollten wir zumindest mal ins Grübeln kommen.
Was aber brauchen wir, um intrinsisch – also aus uns selbst heraus – motiviert zu sein? Wir brauchen das Gefühl der Selbstbestimmheit. Gerade daran mangelt es uns aber oft. In unserem Arbeits- und auch Familienalltag fühlen wir uns oft von Zwängen und Erfordernissen gedrängt und dirigiert.
Versuchen wir einfach einmal, unseren Blick zu ändern. Denn unseren Alltag können wir oft nicht so einfach ändern. Oder ehrlicher gesagt: wir wollen ihn auch oft gar nicht ändern.
Sie machen mehr freiwillig als Sie denken
Ich habe letztens ein Interview mit dem chilenischen Systemtheoretiker Humberto Maturana gelesen. Er hatte den Putsch durch General Pinochet erlebt und beurteilte rückblickend alle seine weiteren Entscheidungen und Verhaltensweisen sehr schonungslos. Er – so sagte er selbst – entschied sich zu heucheln und sich zu verstellen, um seine Familie zu schützen und weiterhin ein einigermaßen angenehmes Leben zu führen. Niemand zwang ihn dazu. Es war seine freie Entscheidung. Er behauptet sogar, nicht einmal unter Waffengewalt könne man einen Menschen zwingen etwas zu tun. Es bleibt immer die freie Entscheidung, sich der Waffengewalt zu beugen – mit allen Konsequenzen; oder eben nicht – ebenfalls mit allen Konsequenzen.
Ich finde diesen Gedanken wirklich revolutionär, weil er uns geradezu dazu zwingt, unsere Eigenverantwortung anzuerkennen. Sobald wir die aber nicht mehr verleugnen – und Maturanas Gedankengang macht das geradezu unmöglich – erkennen wir unsere Handlungsfreiheit.
Ja, tatsächlich, den öden Bericht, den Sie gerade vorbereiten müssen, das Seminar, zu dem Ihre Vorgesetzte Sie schickt, die Abrechnung die fällig ist – all diese Aufgaben erledigen Sie am Ende vollkommen freiwillig.
Welche Konsequenz sagt uns mehr zu – weniger Druck
Was Sie tun ist: sie wägen die Konsequenzen ab die aus dem Tun oder Nichttun erwachsen ab und entscheiden dann, welche Handlungsalternative besser für Sie ist. Vermutlich überlegen Sie sich die Handlungsalternativen schon gar nicht mehr, sondern haben gelernt (ob berechtigterweise oder nicht), dass die Nicht-Erledigung negative Konsequenzen haben wird, die Sie nicht in Kauf nehmen möchten.
Machen Sie doch mal zumindest das Gedankenexperiment: was könnte passieren, wenn Sie den Bericht nicht abgeben. Nicht nur zu spät oder unvollständig, sondern ganz und gar nicht. Auf diese Weise können Sie deutlich selbstbestimmter arbeiten und brauchen hoffentlich auch weniger Druck von außen.
Über den Autor Göran Askeljung
Prof. (op) Göran Askeljung – BcEE, ist Business Trainer bei askeljung.com und Geschäftsführer und Senior Trainer bei immediate effects. Seit 2016 ist Göran Askeljung auch Certified Facilitator und Associate von Consensus in NY, und leitet Consensus Austria und Germany. Als Professor of Practise (op) am Georgian School of Management (GSOM) leitet er das Institut für Sales and Negotiations. Er ist Vorstandsmitglied in der Schwedischen Handelskammer in Österreich und Mitglied des Beirats von Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF). Göran ist auch als Trainer, Coach und Consultant für Consensus Group (NY, US), The Forum Corporation (UK), eBda (Fr) undNapier Training Associates (UK) tätig. Er ist zertifiziert im Solution Selling® von der SPI University in USA. Seine Arbeit umfasste Tätigkeiten als Trainer und Coach für Produktivität, Verkauf, Vertriebsmanagement, Key-Account Management, Lösungsvertrieb, Verhandlungstaktik, Verhandlungsführung, Rhetorik und Präsentationen. Göran wurde 1967 in Schweden geboren und lebt seit 1990 in Wien. Er spricht fließend Deutsch, Englisch und Schwedisch. Lebenslauf und Werdegang: Oxford Encyclopedia | LinkedIn | XING
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