So lassen Sie sich nicht mehr von Mail & Co ablenken
Ich habe schon oft darüber geschrieben, wie wichtig es ist, sich die eigene Arbeitszeit bewußt selbst einzuteilen. In meinen Seminaren ist das ein immerwährendes Thema. Eine der größten Stolpersteine dafür sind ankommende Mails. Das “Pling” macht die besten Vorsätze zunichte: man gerät in eine Art Überlebenszustand, das Denken setzt aus und man öffnet wider besseres Wissen die frische E-Mail. Betreff: Menüplan für die kommende Woche. Hat es sich dafür gelohnt, die Aufgabe zu unterbrechen, an der Sie gerade konzentriert gesessen sind? ablenkungsfrei arbeiten
Der Traum von vielen – ungestört vom Druck der Mails
Meine Teilnehmer und Teilnehmerinnen klagen ohne Ausnahme über andauernd ankommende E-Mails und den damit verbundenen Druck, sofort antworten zu müssen. Dieser Druck entsteht auf drei Arten:
- Durch unsere eigene Erwartung: “Jetzt habe ich vor 10 Minuten eine Mail geschrieben und noch keine Antwort erhalten!”
- Die Gleichzeitigkeit von Versenden und Empfangen: dadurch haben wir das Gefühl, wir müssten wie in einem persönlichen Gespräch genauso unmittelbar antworten
- Die Menge: je mehr Mails wir bekommen, desto schneller wollen wir sie von unserer Agenda streichen können, um unsere Arbeitsbelastung zu reduzieren.
Die Empfehlung, sich bewußt auch Zeiten einzuplanen, in denen man nicht von Mail zu SMS zu WhatsApp-Nachricht stolpert, klingt für alle meine Teilnehmer sinnvoll. Es gibt natürlich immer auch skeptische Einwürfe und den Einwand “Das geht bei mir unmöglich”. Aber auch die Skeptiker wünschen sich genau das: täglich für eine bestimmte Zeit völlig ohne außere Störungen arbeiten zu können und die E-Mails unter Kontrolle zu bekommen. ablenkungsfrei arbeiten
Neue Gewohnheiten brauchen Beharrlichkeit
Der erste und allerwichtigste Schritt, um etwas zu verändern ist, eine Entscheidung zu treffen. Nämlich etwas zu ändern. Ab jetzt. Leider (und jetzt kommt der Teil, der Sie immer wieder verleiten wird ins alte Muster zurück zu fallen) haben Ihre Mitmenschen keinen ähnlichen Entschluss gefasst. Sie müssen also damit rechnen, dass sich die äußeren Bedingungen erstmal nicht ändern:
- Sie antworten nicht postwendend? Zack – da kommt schon die Nachfrage, wo denn Ihre Antwort bleibt.
- Sie antworten gar nicht, weil Sie gar nicht der richtige Empfänger sind? Zuverlässig wird die Mail einfach nochmal an Sie geschickt.
- Sie beantworten alle Fragen ausführlich? Da wird ein Nachtrag mit wichtigen Informationen geschickt, die Sie schon vorher gebraucht hätten.
Jetzt wäre es eine schlechte Idee, zu resignieren. Nehmen Sie die erste Hürde und bleiben Sie standhaft. Dann können Sie bei der zweiten Hürde schon auf einen Erfolg zurückgreifen. Und die dritte entlockt Ihnen vielleicht schon nur noch ein Schulterzucken. Es ist keine kleine Aufgabe, die Sie vor sich haben. Sie möchten einen unwillkürlichen Reflex durch ein neues, förderliches Verhalten ersetzen. Nichtmal das Wort “förderlich” wird Ihnen dabei immer helfen. Vielmehr wird das Wort “neu” Sie herausfordern. Denn
neu = ungewohnt -> ungewohnt = anstrengend
Was Sie also gerade vorhaben, ist etwas Neues in etwas Gewohntes (und damit Unanstrengendes) zu verwandeln. Das braucht Durchhaltevermögen. Wie aber bleiben Sie dran? Wie gelingt es, den Reflex “Öffnen – antworten – senden” zu kontrollieren?
Vorab empfehle ich, sich an die gewünschte Zeitspanne heranzutasten. Fangen Sie mit kleinen Einheiten an, die Sie vielleicht zu Beginn mehrmals über den Tag verteilen. Bis Sie schlußendlich bei der von Ihnen angestrebten Zeitspanne sind. ablenkungsfrei arbeiten
Versuchungen eliminieren
Je nachdem wie stark Ihr Reflex ausgeprägt ist, können Sie Maßnahmen setzen, die die äußeren Reize für die erste Zeit der Umgewöhnung ausschalten. Menschen, die stark von Ihrer Neugier oder der Angst, sich unbeliebt zu machen geprägt sind, reagieren wie der berühmte Pawlowsche Hund: “Pling” und das Öffnen der Mail geschehen nahezu zeitgleich. Es ist ein fast körperlicher Reflex, der komplett jenseits der eigenen Kontrolle liegt. Andere widerstehen zwar dem Drang, aber Ihre Aufmerksamkeit ist solange bei der ungeöffneten Mail, bis sie endlich gelesen ist. Eine Erlösung, aber nur eine kurze, denn die nächste Mail an sie wird gerade eben formuliert und wartet darauf, abgeschickt zu werden.
Die folgenden Tipps sind nach Radikalität geordnet. Bevor Sie Schweißausbrüche bekommen: sie gelten nur für die geblockte Zeit.
- arbeiten Sie völlig ohne PC/Handy und – wenn möglich – in einem anderen Raum
- stellen Sie Ihren Internetzugang ab und stellen Sie Ihr Handy ab
- aktivieren Sie das automatische Verschicken einer SMS für Anrufe, die Sie in dieser Zeit nicht entgegennehmen
- stellen Sie Ihr E-Mailkonto so ein, dass bei ankommenden Mails keine Benachrichtigung angezeigt wird
- aktivieren Sie in Ihrem Kalender ein Erinnerung, die Sie 30 Minuten vorher an Ihre geblockte Zeit erinnert
- nehmen Sie sich ganz genau vor, was Sie in Ihrer geblockten Zeit erledigen möchten und schreiben Sie das in Ihren Kalender
- doch schwach geworden? Hängen Sie die verlorene Zeit dran
Rausposaunen
Auch Ihr Umfeld muss sich erst an Ihre neue E-Mailpolitik gewöhnen. Je beharrlicher Sie sind, desto schneller werden die anderen Ihr neues Verhalten akzeptieren und sich nicht davon bedroht fühlen. Ja, es ist leider so. Menschen, die bereit sind ihr eigenes Verhalten zu verändern, verängstigen ihre veränderungsscheuen Mitmenschen. Halten Sie sich an diejenigen, die Ihr Verhalten begrüßen und unterstützen. Um allen anderen den Wind aus den Segeln zu nehmen, können Sie signalisieren, dass man sich auch weiterhin auf Sie verlassen kann. Dazu reicht eine automatisierte Mail oder SMS, in der Sie Ihre Antwort oder Ihren Rückruf zusichern. Zugleich nimmt Ihnen das den Druck, so schnell wie möglich reagieren zu müssen. Am Ziel Ihrer Träume, werden Sie auch das nicht mehr benötigen.
Wenn Sie über einen gemeinsamen Kalender mit Ihren Teamkollegen verfügen, geben Sie Ihre geblockte Zeit als Termin ein. Sie sind in dieser Zeit quasi außer Haus und nicht erreichbar. ablenkungsfrei arbeiten
Erfolge notieren
Am Ende Ihrer geblockten Zeit sollten Sie sich notieren, was Sie tatsächlich alles erledigen konnten. Wieviele Mails konnten Sie erfolgreich während Ihrer kleinen Klausur ignorieren? Wieviele Anrufe haben Sie nicht entgegengenommen? Wie oft also konnten Sie der Versuchung widerstehen? Überlegen Sie anschließend, wie weit Sie mit Ihrer Arbeit gekommen wären, wenn Sie diesen ganzen Ablenkungen nachgegeben hätten. ablenkungsfrei arbeiten
Schreckensszenarien relativieren
Jetzt können Sie auch die Realität mit Ihren Schreckensszenarien abgleichen. Schreiben Sie alles auf, was Ihrer Meinung nach passieren würde, wenn Sie nicht gleich auf “öffnen” klicke oder abheben und antworten. Was davon ist tatsächlich eingetreten? Wie verheerend sind die Folgen Ihrer geplanten Abwesenheit wirklich? Auf diese Weise können Sie Tag für Tag dem nebulösen Druck seinen Schrecken nehmen. ablenkungsfrei arbeiten
Über den Autor Göran Askeljung
Prof. (op) Göran Askeljung – BcEE, ist Business Trainer bei askeljung.com und Geschäftsführer und Senior Trainer bei immediate effects. Seit 2016 ist Göran Askeljung auch Certified Facilitator und Associate von Consensus in NY, und leitet Consensus Austria und Germany. Als Professor of Practise (op) am Georgian School of Management (GSOM) leitet er das Institut für Sales and Negotiations. Er ist Vorstandsmitglied in der Schwedischen Handelskammer in Österreich und Mitglied des Beirats von Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF). Göran ist auch als Trainer, Coach und Consultant für Consensus Group (NY, US), The Forum Corporation (UK), eBda (Fr) undNapier Training Associates (UK) tätig. Er ist zertifiziert im Solution Selling® von der SPI University in USA. Seine Arbeit umfasste Tätigkeiten als Trainer und Coach für Produktivität, Verkauf, Vertriebsmanagement, Key-Account Management, Lösungsvertrieb, Verhandlungstaktik, Verhandlungsführung, Rhetorik und Präsentationen. Göran wurde 1967 in Schweden geboren und lebt seit 1990 in Wien. Er spricht fließend Deutsch, Englisch und Schwedisch. Lebenslauf und Werdegang: Oxford Encyclopedia | LinkedIn | XING
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