Bücher für jedes Alter – darauf kommt es an: Lesekarrieren – Teil 1

Heute wird es etwas wissenschaftlich. Ich möchte Ihnen nämlich zeigen, worauf Sie bei der Auswahl altersgerechter Bücher achten sollten.  Wobei – altersgerecht ist eigentlich nicht ganz richtig. Denn eigentlich sollte es lesephasengerecht heißen. Weil das aber doch recht sperrig ist, bleibe ich in meinem Artikel bei altersgerecht. altersgerechte Kinderbücher

Es gibt einige Stufenmodell, die sich mit dem Leserwerb befassen. Mir gefällt am besten das 7-stufige von Albin Niedermann und Martin Sassenroth. Es erklärt in sehr übersichtlicher Art und auch für Laien nachvollziehbar, welche Entwicklungsschritte unsere Kinder beim Lesen durchlaufen. altersgerechte Kinderbücher

Das 7-Phasen-Modell – Die ersten vier Phasen

Die Definition einer Phase wird bestimmt durch die Art und Weise, wie die Kinder Bücher nutzen und wie sie mit Geschriebenen umgehen. Das bedeutet, dass die Entwicklung der Lesekompetenz nicht erst mit dem Erlernen der Buchstaben beginnt. Sie beginnt bereits deutlich früher.

1. Phase – Präliteral-symbolische Leistungen

Die Leistungen, die Kinder in dieser ersten Phase erbringen, bedürfen schon einiger Vorerfahrung. Kinder, die selten oder sogar nie in Kontakt mit Bücher gekommen sind, können diese Leistungen nicht erbringen.

Was also können Kinder in dieser Phase? Sie können

  • Schrift und Bild unterscheiden
  • erkennen, dass mit Schrift etwas mitgeteilt wird
  • die Schreibrichtung identifizieren
  • sinnvoll mit Bilderbüchern umgehen (Stichwort blättern nicht wischen)

Was jetzt gut ankommt

Suchen Sie Bücher aus, die mit der Erlebniswelt des Kindes direkt zu tun haben. Alles, was es selbst tagtäglich erlebt wird es begeistert erkennen. Bücher, die einen Bezug zur eigenen Welt herstellen vermitteln den Kindern ein vertrautes Gefühl. Der Bildanteil sollte noch deutlich größer als der Schriftanteil sein. Durch die Fixierung auf die Bilder, bleiben die Kinder konzentriert und bei der Sache.

Toll sind Klappbücher, also Bücher bei denen sich hinter kleinen Klappen neue Bilder verstecken. Die Wieso?Weshalb?Warum? Bücher von Ravensburger sind bei allen Kindern beliebt. Es gibt sie im Klein- und Großformat und sie greifen das Alltagserleben der Kinder auf.

Auch alles was sich reimt kommt bei Kindern gut an. Klassiker wie Henriette Bimmelbahn von James Krüss, oder die Bücher von Axel Scheffler (allen voran der Grüffelo) machen auch Spaß beim Vorlesen. Was ja auch nicht ganz unwichtig ist. altersgerechte Kinderbücher

2. und 3. Phase – Logografische Leistungen und Logographemische Leistungen

In Phase 2 können Kinder Logos und Embleme erkennen. Erwachsene sind typischerweise immer sehr erstaunt, wenn kleine Kinder alle Automarken benennen können. Wenn Ihr Kind sie damit überrascht, dann wissen Sie, dass es sich in Phase 2 befindet. Was Kinder in dieser Phase noch nicht können, ist abstrahieren. Also der Coca-Cola-Schriftzug in gelb auf grünem Grund löst kein Erkennen aus.

In Phase 3 beginnen Kinder bereits einzelne Buchstaben zu erkennen. Z.B. kann Ihr Kind im Aufzug auf Ihre Aufforderung auf “E” drücken. Oder es erkennt das “U” für U-Bahn. Wobei das “E” nur im Aufzug und das “U” nur in der U-Bahn erkannt werden. altersgerechte Kinderbücher

Was jetzt gut ankommt

Auch in diesen Phasen gilt noch: alles was ein Wiederekennen ermöglicht ist toll. Beide Leistungen – also das Erkennen von Logos und das Erkennen von Buchstaben – werden aber vor allem unterwegs gefestigt.

4. Phase – Graphem-Phonem-Korrespondenz

In dieser Phase wird es wieder etwas spannender, denn jetzt beginnen die Kinder

  • einzelne Buchstaben kontextunabhängig zu erkennen (also das “E” nicht nur im Aufzug)
  • zu verstehen, dass jedem Buchstaben ein Laut zugeordnet ist
  • einzelne Laute aus einem Wort herauszuhören

Vor allem der letzte Punkt ist eine ganz wesentliche Voraussetzung zum Lesenlernen.

Was jetzt gut ankommt

Die längere Aufmerksamkeit macht Kinder jetzt auch bereit für Geschichten mit größerem Textanteil und sogar schon Bücher mit einzelnen Kapiteln.

Jetzt kann man mit der Sprache ein wenig spielen, ohne die Kinder zu verwirren. Allerdings nicht mit der Grammatik, sondern nur mit den Lauten. Wenn die Kinder dann einen “Fehler” entdecken, sind sie schwer begeistert. Dazu braucht es auch gar keine anderen Bücher. Nehmen Sie ein Buch, dass Ihr Kind (und vermutlich auch Sie) schon auswendig kennt und ersetzen Sie beim Lesen Wörter. Dadurch können Sie herrlich sinnlose Sätze bilden. Genießen Sie den Moment, wenn Ihr Kind stutzt, dann erkennt und Sie korrigiert. Vielleicht mag es ja schon bald selbst Wörter tauschen.

Auch sinnlose Reimereien sind toll. Da können sie richtig in einem Lautmeer baden. Allerdings: zu lang sollten sie nicht sein. Fündig werden Sie bei Ernst Jandl, James Krüss und hier. Auch  in “Flosse, Fell und Federbett” und “Traurige Tiger toasten Tomaten” von Nadja Budde wird herrlich mit den Lauten gespielt.  altersgerechte Kinderbücher

Ehrgeiz ist fehl am Platz – Ihr Kind bestimmt das Tempo

Die Buchtipps sind nur eine kleine Anregung. Egal mit welchem Buch Ihr Kind kommt – lesen Sie es vor. Auch wenn Sie Ihr Kind dafür zu alt oder zu jung befinden. Wenn Sie selbst etwas Abwechslung brauchen, spricht nichts dagegen auch selbst etwas neues Lesefutter einzustreuen.

Eine große Auswahl altersgerechter Buchempfehlungen gibt es auf www.kinderbuch-couch.de

Bei alldem gilt: machen Sie aus dem Lesen keine Schulstunde und hüten Sie sich vor Ehrgeiz. Wenn Sie mit Ihrem Kind regelmäßig lesen, tun Sie ohnehin alles. Werden Sie nicht ungeduldig, wenn Ihr Kind im Text immer noch kein “E” erkennen kann. Vergleichen Sie nicht mit anderen Kindern.

Lesen Sie weiter über die nächste Phasen hier.

 

Göran Askeljung

Über den Autor Göran Askeljung

Prof. (op) Göran Askeljung – BcEE, ist Business Trainer bei askeljung.com und Geschäftsführer und Senior Trainer bei immediate effects. Seit 2016 ist Göran Askeljung auch Certified Facilitator und Associate von Consensus in NY, und leitet Consensus Austria und Germany. Als Professor of Practise (op) am Georgian School of Management (GSOM) leitet er das Institut für Sales and Negotiations. Er ist Vorstandsmitglied in der Schwedischen Handelskammer in Österreich und Mitglied des Beirats von Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF). Göran ist auch als Trainer, Coach und Consultant für Consensus Group (NY, US), The Forum Corporation (UK), eBda (Fr) undNapier Training Associates (UK) tätig. Er ist zertifiziert im Solution Selling® von der SPI University in USA. Seine Arbeit umfasste Tätigkeiten als Trainer und Coach für Produktivität, Verkauf, Vertriebsmanagement, Key-Account Management, Lösungsvertrieb, Verhandlungstaktik, Verhandlungsführung, Rhetorik und Präsentationen. Göran wurde 1967 in Schweden geboren und lebt seit 1990 in Wien. Er spricht fließend Deutsch, Englisch und Schwedisch. Lebenslauf und Werdegang: Oxford Encyclopedia | LinkedIn | XING