Prokrastinawas?

Prokrastination, so nennt man das chronische Aufschieben von Aufgaben. Verniedlicht sagt man gerne “Aufschieberitis” dazu. Prokrastination kann sich zu einem richtigen Krankheitsbild auswachsen, einer ganz soliden Arbeitsstörung.

Grundsätzlich schieben wir alle gerne mal was auf. Manchmal gibt es gute Gründe das zu tun: vielleicht, weil etwas Wichtigeres unsere Aufmerksamkeit verlangt; vielleicht, weil wir davon ausgehen können, dass sich etwas von selbst erledigt; vielleicht, weil wir merken, dass gerade nicht der richtige Zeitpunkt ist.

So kommen Sie Ihrem Muster auf die Schliche

Hinderlich wird es, wenn wir ein Muster darin erkennen, WANN und WIE wir aufschieben. Wenn Sie selbst glauben, zu prokrastinieren, auch wenn Sie nur hin und wieder, z.B. bei bestimmten Aufgabenbereichen zum Aufschieben neigen

  • denken Sie bitte jetzt an eine Aufgabe, die Sie schon seit längerem vor sich herschieben
  • warten Sie, bis sich soviel Widerstand in Ihnen aufbaut, dass Sie am liebsten den Artikel wegklicken würden
  • überlegen Sie, welches der folgenden Szenarien Ihr übliches Verhalten am besten widerspiegelt

A)

Sie werden, von Panik getrieben, auf Knopfdruck aktiv. Sie erledigen die Aufgabe gerade noch rechtzeitig und sind mit dem Ergebnis unzufrieden, weil Sie wissen, dass Sie es besser hätten machen können.

B)

Sie fangen erstmal an für Ordnung zu sorgen: der Schreibtisch wird aufgeräumt; die Ablage wird erledigt; das Geschirr wird gewaschen. Na bitte, jetzt haben Sie doch ordentlich was erledigt. Und trotzdem sind Sie nicht mit sich zufrieden.

C)

Sie versuchen sich einen Überblick über die Aufgabe zu schaffen. Dazu erstellen Sie eine Liste, in der Sie Schritt für Schritt notieren, was wann zu tun ist. Hervorragend. Jetzt wissen Sie genau, was zu tun ist. Trotzdem, so richtig erleichtert fühlen Sie sich nicht.

D)

Sie sagen sich, dass Sie jetzt gerade auf DIESE Aufgabe keine Lust haben. Aber auf diese andere Aufgabe, die Sie auch noch erledigen sollten, viel mehr. Also wenden Sie sich lieber der zu. Dann fällt Ihnen ein, dass Sie ja noch diesen interessanten Artikel lesen wollten. Wo war der noch? Ach ja, beim Kollegen im Zimmer. Also auf zum Kollegen. Auf dem Weg kommen Sie an der Kaffeeküche vorbei und Sie holen sich erstmal einen Kaffee. Jetzt aber zum Kollegen, die Zeitschrift geholt und in den Kopierraum. Aber halt, Sie sollten ja noch für die Chefin die Projektunterlagen kopieren. Zurück in Ihr Büro und die Projektunterlagen gesucht. Ah, eine neue Mail ist eingegangen. Mal sehen, wer da was von Ihnen will…..

E)

Puh, bevor Sie sich dieser unseligen Aufgabe zuwenden, noch eine kleine Motivationspause einlegen und mal sehen, was so auf Xing und Facebook los ist. Auf dem Blog, dem Sie folgen, sollte doch eigentlich auch mal wieder ein neuer Artikel stehen. Ach und dann noch schnell in das Fachforum schauen. Sicher gibt es eine neue interessante Diskussion, zu der Sie etwas beitragen können.

Jeder Typ braucht eine andere Strategie

Haben Sie sich irgendwo wiedererkannt? Dann möchte ich Ihnen jetzt ein paar Lösungsansätze an die Hand geben. Die sollen Ihnen helfen, Ihr Denken zu überprüfen. Aber Sie werden auch praktische Tipps und schnelle Exit-Strategien finden, falls Sie doch mal wieder versucht sind, etwas auf die lange Bank zu schieben.

Typ A

Typ A wartet auf den Countdown und sagt sich “Ich hab ja noch Zeit”:
Sie sollten sich wahrscheinlich ein besseres Zeitmanagement zulegen. Oder vielleicht überhaupt eines. Setzen Sie Prioritäten und halten Sie sich daran. Überlegen Sie nicht, ob Sie jetzt gerade Lust dazu haben, oder ob es einen besseren Zeitpunkt gäbe. Halten Sie sich an Ihre Liste. Planen Sie Zeitpuffer ein.
Schnelle Exit-Strategie: Verlegen Sie die Deadline nach vorne. Nehmen Sie den Kalender zur Hand und fragen Sie sich, wer die Entscheidung treffen soll: Sie, oder ein Stück Papier. aufschieben

Typ B

Typ B entdeckt plötzlich seine Ordnungsliebe und sagt sich “Jetzt sorge ich erstmal für einen klaren Kopf”:
Wahrscheinlich fühlen Sie sich von der vor Ihnen liegenden Aufgabe überfordert. Sie wissen nicht, wo Sie anfangen sollen und lenken sich deshalb mit Aufgaben ab, die “auch wichtig sind”. Teilen Sie die Aufgabe in Teilziele und die Teilziele in kleine Schritte. Am Anfang gilt für Sie: je kleiner desto besser.
Schnelle Exit-Strategie: Entscheiden Sie sich für die unangenehmste Ersatztätigkeit (vielleicht vergeht Ihnen dann die Lust). Die und nur die dürfen Sie vorher noch erledigen.aufschieben

Typ C

Typ C liebt die Vorbereitung und sagt sich “Dafür mach ich eine Liste”:
Was für Typ B hilfreich ist, ist für Typ C kontraproduktiv: zuviele kleine Schritte. Typ C fürchtet sich vor den großen Herausforderungen und bleibt deshalb im Kleinklein hängen. Damit verlässt verlässt er immer wieder den direkten Weg zu den Teilzielen.
Gewöhnen Sie sich an, mit dem Unangenehmen zu beginnen. So haben Sie gleich zu Tagesbeginn einen wichtigen Erfolg: Sie haben etwas Wichtiges erledigt UND Sie haben Ihr Muster durchbrochen. Ein tolles Gefühl, dass Sie den Rest des Tages begleiten wird.
Schnelle Exit-Strategie: Planen Sie nur den nächsten Schritt und legen Sie dann gleich los. Danach dürfen Sie die nächsten Schritte bis zum Teilziel festlegen. aufschieben

Typ D

Typ D kann sich nicht konzentrieren und sagt sich “Ah, das wollte ich auch noch erledigen”:
Wahrscheinlich fällt es Ihnen schwer, sich zu konzentrieren. Sie lassen sich sehr schnell ablenken. Tauchen Hürden auf, sind Sie geneigt, sich einer anderen Aufgabe zuzuwenden. Damit vermeiden Sie schwierige Situationen.
Sagen Sie sich: “Das ist jetzt schwierig.” So benennen Sie, was jetzt zu tun ist: eine Lösung finden und verschließen gleichzeitig die Tür zur Ausrede “das sollte ich auch noch tun”. Sie wissen es ohnehin besser. Handeln Sie danach.
Fragen Sie andere um Rat, wenn Sie bei einer Aufgabe nicht weiterkommen.
Schnelle Exit-Strategie: Widerstehen Sie für ein paar Minuten dem Drang, auszuweichen. Bleiben Sie einfach sitzen und tun Sie nichts. Wenn Sie unbeobachtet sind, schließen Sie die Augen. Warten Sie – der Drang wird nachlassen. Üben Sie so, Ihrem Impuls auszuweichen, etwas entgegenzusetzen. aufschieben

Typ E

Typ E kann Online-Versuchungen nicht widerstehen und sagt sich “Nur schnell nochmal durchschnaufen”:
Dieser Typ ist mit seiner Aufmerksamkeit immer online. Selbst wenn er offline ist. Es surrt und schwirrt in seinem Kopf und in seinem Browser. Er springt von Seite zu Seite und von PC zu Smartphone. Eventuell etwas zu verpassen ist ihm unerträglich.
Hier hilft nur Disziplin. Damit Sie der Disziplin aber auch eine gutes Basis bieten können, fragen Sie sich, welches Leben Sie führen möchten: eines in Abhängigkeit oder eines der freien Wahl. Mit diesen Maßnahmen können Sie einen zunächst disziplinierten, später einen freien Umgang mit Facebook und Co üben:
– planen Sie bewußt Offline-Zeiten ein
– lesen Sie Mails nicht sofort. Üben Sie, das Signal für eine eingehende Mail zu ignorieren. Vielleicht hilft es Ihnen, aus dem Zimmer zu gehen.
– setzen Sie fest, wieviel Zeit Sie im Internet verbringen wollen.
Schnelle Exit-Strategie: Suchen Sie eine Aufgabe, die Sie ohne PC oder Handy erledigen können. Wenn es Ihnen möglich ist, gehen Sie in einen PC-freien Raum und probieren Sie, Ihr Handy nicht mitzunehmen.

Haben Sie es bemerkt: Wo für den einen die Falle liegt, liegt für den anderen die Brücke. Es ist also wichtig, herauszufinden, welche Situationen Ihr Aufschiebe-Muster auslösen.

Für alle fünf Typen gilt: Bleiben Sie dran. Üben Sie. Mit jedem gelungenen Durchbrechen Ihres Musters, sind Sie ein Stück widerstandsfähiger geworden.

Hier finden Sie Tools, die Ihnen dabei helfen fokussiert zu bleiben. aufschieben

 

 

Göran Askeljung

Über den Autor Göran Askeljung

Prof. (op) Göran Askeljung – BcEE, ist Business Trainer bei askeljung.com und Geschäftsführer und Senior Trainer bei immediate effects. Seit 2016 ist Göran Askeljung auch Certified Facilitator und Associate von Consensus in NY, und leitet Consensus Austria und Germany. Als Professor of Practise (op) am Georgian School of Management (GSOM) leitet er das Institut für Sales and Negotiations. Er ist Vorstandsmitglied in der Schwedischen Handelskammer in Österreich und Mitglied des Beirats von Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF). Göran ist auch als Trainer, Coach und Consultant für Consensus Group (NY, US), The Forum Corporation (UK), eBda (Fr) undNapier Training Associates (UK) tätig. Er ist zertifiziert im Solution Selling® von der SPI University in USA. Seine Arbeit umfasste Tätigkeiten als Trainer und Coach für Produktivität, Verkauf, Vertriebsmanagement, Key-Account Management, Lösungsvertrieb, Verhandlungstaktik, Verhandlungsführung, Rhetorik und Präsentationen. Göran wurde 1967 in Schweden geboren und lebt seit 1990 in Wien. Er spricht fließend Deutsch, Englisch und Schwedisch. Lebenslauf und Werdegang: Oxford Encyclopedia | LinkedIn | XING